Hamburgs Totenstadt, aus der Not heraus geboren
Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die Hamburger Kirchhöfe und Friedhöfe, die damals noch außerhalb der Stadttore am Dammtor
(heute Bereiche in „Planten un Blomen“ und den „CCH–Hallen“) lagen, kaum noch Verstorbene aufnehmen. Es wurde dort schon „übereinander“
bestattet. Der Hamburger Konstituante und der Bürgerschaft war das Problem bekannt, waren aber bis in die 1865/1870 nicht in der Lage ein
solches Projekt zu bestreiten. Hamburg erholte sich grade von dem großen Brand von 1842, bei dem etwas mehr als 1/4 der Stadt zerstört
wurde. Um 1870, dank des schnellen Wachstums der Bevölkerung und ihrer Aktivität Hamburg wieder aufzubauen, war genug Geld im Topf um
großes zu planen.
So wurde 1873 eine Senats- und Bürgerschafts-Commission ins Leben gerufen, die mit der Schaffung eines neuen, großen öffentlichen
Friedhofs beauftragt wurde. Nach Sichtung mehrerer in Frage kommender Flächen entschloss sich die Commission schon 1875 zum Ankauf von
126 bzw 140 Hektar Acker und Brachland im Bereich Ohlsdorf, damals noch ein gutes Stück nördlich der Stadttore. Der günstige Preis und
die Bodenbeschaffenheit sprachen für den Kauf. Die Arbeiten begannen zügig noch im selben Jahr. Anfänglich unter dem Förster Lepoldt,
dann unter Willhelm Cordes, der erste Friedhofsverwalter und späterer Friedhofsdirektor.
Cordes gestaltete in seinen 38 Amtsjahren den Ohlsdorfer Friedhof nicht unmaßgeblich und erschuf einen „englischen Landschaftsgarten
mit seinen der Natur nachgeformten Wegeführungen, Gewässerformen und Pflanzungen“. Sein tief humanistisches Anliegen: „Jeder Verstorbene
soll im eigenen Grab in einem Paradiesgarten ruhen“, dabei aber auch „Erholungsraum für die Lebenden“ sein. Die Umsetzung wurde schon
1900, mit dem Erhalt eines Grand Prix auf der Pariser Weltausstellung, gebührend geehrt.
Im Juli 1877 fanden die ersten Bestattungen und die feierliche Eröffnung des Friedhofs statt. Später wurden weitere Flächen hinzugekauft
und der Friedhof wuchs auf seine heutigen 404 Hektar an. 1919 übernahm Otto Linne das Amt des verstorbenen Cordes und setzte dem Friedhof
nun seinen Stempel der Moderne auf. Sein gestalteter Teil zeichnet sich durch Gradlinigkeit in der Wegführung aus. Wenn man auf den
Friedhof-Übersichtsplan schaut fällt sofort auf welcher der ältere Cordes- und welcher der neuere Linne Teil ist. Um 1930 war abzusehen,
dass trotz großzügiger und vorrausschauender Planung die freien Grabflächen wohl nur noch 20 Jahre reichen würden. Im Osten der Stadt
(Öjendorf) wurden vorsorglich Flächen angekauft. Durch die Kriegswirren und Protesten in den 50er Jahren wurde der Öjendorfer Friedhof
1963 dann eröffnet und entlastet somit den Ohlsdorfer Friedhof.
Der weltgrösste Parkfriedhof heute, eine Superlative in Zahlen
Würde man um den Friedhof herumlaufen wollen, wäre der Weg gut 11,5 Kilometer lang. Wenn man seinen Fuß durch das Eingangstor setzt,
steht man auf 396 Hektar Friedhofsgrundstück. 80 Kilometer Wege,
davon 17 Kilometer fahrbare Strasse, bringen den Besucher in die letzte Ecke des Friedhofs. Wer nicht mehr laufen kann hat Glück, denn
zwei Buslinien verkehren auf dem Friedhof und bringen Besucher schnell von A nach B.
Für eine kleine Verschnaufpause suche man sich eine von 2800 Sitzbänken und genieße die ca. 36.000 Bäume. Die ca. 450 Baum- und
Straucharten bieten nicht nur dem Auge, sondern auch 97 Vogelarten, Rehen, Füchsen, Eichhörnchen, Waschbären und Kaninchen und zu guter
letzt über 200 Schmetterlingsarten eine wohltuende Umgebung.
Damit es so bleibt sollte man seinen Müll in einen von den 1500 aufgestellten Papierkörben werfen. 700 Schöpfbrunnen helfen mit, dass
die Grabbepflanzung immer ausreichend nasse Füße hat. Seit der Eröffnung 1877 gab es ca. 1,7 Millionen Beisetzungen, nur übertroffen
vom Wiener Zentralfriedhof. Die Anzahl der Grabstätten liegt bei (nur noch) 262.000. Die Bestattungszahl sind rückläufig, im Schnitt
ca. 5000 im Jahr. 12 Kapellen und drei Feierhallen stehen für die Abschiedsfeiern zur Verfügung.